Essen und Sexualität – ein „heißes“ Thema!

 

Liebe geht durch den Magen – tatsächlich hat der Lustgewinn beim Essen eine Parallele zur Sexualität. Auch das königliche Wort „Gemahl“ und „Gemahlin“ trägt das Wort „Mahl“ in sich. Ein Paar teilt üblicherweise Tisch und Bett und nimmt sich Zeit füreinander. Bis zu einer reifen Beziehung ist es ein langer Weg.

Pubertät

Die Pubertät ist eine Phase im Leben wo sich unglaublich viele Strukturen neu zusammensetzen. Hier können noch einmal Weichen neu gestellt werden für spätere Lebensweisen. Eine stabile Grundstruktur in der Familie ist sehr hilfreich um die verwirrenden Hormonhochschaubahnen gut verkraften zu können. Zu strukturiert sollte das Umfeld aber auch nicht sein – hier kommen oft „nicht gesunde“ systemische Familienstrukturen ans Tageslicht. Dann wenn es nicht mehr übersehbar ist, dass zu wenig gegessen wird. Unsere Kultur schlägt auch noch in die gleiche Kerbe – schlank sein und sich kontrollieren gehört zum guten Ton – siehe Staatsopernballett etc . . .

Gerade in dieser Phase ist es eine Gratwanderung zwischen sinnvoll zu erbringender Leistung, zum Beispiel in der Schule (auch wenn das leider  zu hinterfragen ist) und krankmachende Leistung durch Überforderung des Körpers, zum Beispiel im Sport oder eben auch beim Essen.

Anorexie

Bei der Anorexie handelt es sich meist um gekränkten Stolz. Durch zu viel Kritik oder Kontrolle der Bezugspersonen kippt das Körper-Geistsystem in eine Ebene der Angst und der Verwirrung. Eine Mischung aus, „ich bin nicht ok so wie ich bin“, Aggression oder Depression oder agitierter Depression – Perfektionismus, Neid, Eifersucht – also Gefühle wie in der Hölle auf Erden.

Es kommt zu Wahrnehmungsverzerrungen was das eigene Körperbild betrifft und die Jugendlichen oder auch Erwachsene sind dem gesunden feedback der Umwelt nicht mehr zugänglich. Damit beginnt der Teufelskreis sich steil nach unten zu bewegen.

Selbstreflexion: Oft frage ich in der Sexualtherapie „wenn Sexualität eine Speise wäre – was für eine wäre das?“ Das erste was im Kopf erscheint ist das Richtige. Wenn du magst nimm dir hier einen Moment Zeit um deine eigene Speise im Kopf entstehen zu lassen bevor du weiterliest!

Essensmetapher

Hier bekomme ich interessante Informationen. Manche sagen „Schokopudding“ und auf die Nachfrage ob sie das mögen kommt ein angewidertes „nein – ich hasse Schokopudding!“ Oder „Sushi – aber mit viel Ingwer und Sojasauce“, „ich liebe nämlich die vielfältige Struktur des Essens auf der Zunge und die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen“ – genau wie beim Sex.

Bei AnorexiepatientInnen weiß man schon die Antwort im Vorhinein – eben keine Speise – „nix“. Und auf die Frage nach „Lebenslust“ oder „sexuelle Lust“ folgt oft niedergeschlagenes Schweigen. Das Hungergefühl auszuhalten entspricht einer sehr mächtigen Form von Selbstkontrolle, die eben niemand anderer t0ppen kann.

Anorexie ist die kontrollierteste Art der Kontrolle seiner Selbst.

Dummerweise lebensgefährlich. Deshalb bitte schnell reagieren.

Parallele zur Sexualität

Jugendliche haben eben  einen sehr unterschiedlichen Zugang zu ihrem Körper und ihrer Sexualität. Das ist individuell sehr verschieden und wenn das eigene Tempo gelebt werden darf funktioniert das sexuelle Lernen ganz von alleine (siehe voriger Blog). Ohne – „du darfst das nicht“, also ein Verhindern der eigenen Selbsterfahrung. Oder  – „du musst dir  mit uns den Extremporno ansehen – sonst gehörst du nicht dazu“, in der Peergroup als Gruppendruck.

Die anatomischen Strukturen vor allem beim Mädchen sind oral und vaginal sehr ähnlich.

Es gibt eine deutliche Grenze, es ist eine sensible Schleimhaut, es ist feucht oder trocken, aufnahmefreudig oder eben nicht. Lustvoll zu spüren oder eben nicht. Aufnehmen wollend oder eben nicht.

Wenn Mädchen oder auch Burschen mit Essstörungen gleich eine Sexualberatung oder Therapie machen würden hätte man Chancen auf recht rasche positive Ergebnisse.

Fantasiereisen

In der Sexualtherapie ist eine Form der Therapie die der Fantasiereisen, die es ermöglichen den eigenen Körper bewusst wahrnehmen zu können. Durch die Tranceinduktion und Entspannung einfach mal versuchsweise „wertfrei“ – wo man meist schon metapherhaft am eigentlichen Problem angekommen ist. Denn die „Wertung“ ist ja das eigentliche Thema. Gleichzeitig aus einiger Distanz  in der Fantasie beobachten und kennen lernen können. Oft können sich die KlientInnen aus Scham oder Ekel am Beginn der Therapie keinen direkten Kontakt mit dem Körper vorstellen. So ähnlich ist es auch mit dem Essen – das Aufnehmen von Speisen ist mit Abwehr gekoppelt.

 körpertherapeutischer Ansatz

Durch den körpertherapeutischen Ansatz in der Sexualtherapie, der aber ganz bewusst beim Beckenboden und damit bei der Sexualität beginnt und erst nach und nach auf die systematischen Zusammenhänge zwischen Glaubensmustern, Gefühle der  Selbstsicherheit und des Selbstwertgefühles eingeht, können Betroffene von dem konkreten Thema „Essen“ endlich Abstand nehmen und sich als „ganze Menschen“ kennen lernen. Die Integration der Sexualität als wichtiger Teil des Erwachsenwerdens wird hier unterstützt.

Der Hauptfokus liegt in der Entwicklung von Abgrenzungsstrategien meist zu den Bezugspersonen und dem Erwachsenwerden, also dem durchsetzten können der eigenen Wünsche mit anderen Mitteln als der Kontrolle durch Nahrungsverweigerung. Damit kann ein neuer Weg von einer Lebensverneinung zu einer Lebensbejahung eingeschlagen werden.

Der Therapieverlauf ist oft gekennzeichnet von wachsendem Interesse an den neuen Erkenntnissen über sich selbst und der Entwicklung eines gesunden Stolzes, der durch Geduld und Genussfähigkeit begleitet wird. Sowohl sexuell als auch gustatorisch.

Der „Sachertorte mit viel Schlagobers“ steht dann nichts mehr im Weg – aber nicht alle mögen etwas Süßes – Leben und Lieben ist eben höchst individuell – Hauptsache es macht Freude!

Bulimie

Die Bulimie ist übrigens etwas anders gelagert, sie wird motiviert durch ein Gefühl der Leere und der unerträglichen Angst, die dann durchs Essen kompensiert wird. Hier geht es vornehmlich darum zu helfen das Leergefühl des Hungers von dem Leergefühl der Angst unterscheiden zu lernen. Oft gibt es in der Anamnese frühere Episoden von Anorexie. Im Vordergrund steht aber hier meist nicht das Thema Stolz, sondern das Thema Sucht. Auch hier ist der Ansatz aus der Sexualtherapie ein hilfreicher.

Wenn dann die Therapie abgeschlossen ist und ein gesundes „heißes“ Süppchen gerne zu sich genommen wird darf das ganze Familiensystem wieder durchatmen und endlich feiern – und zwar gemeinsam!

Foto: Heather Barnes


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