Wir alle leben mit der Kunst innere Bilder nützen zu können, also unserer Fantasie. Jeder Gedanke formt sich in ein inneres Bild. Dieses wird dann erspürt und auf Sinnhaftigkeit geprüft. Danach entscheiden wir uns für die Umsetzung in Form von Worten oder Taten.
In der Sexualanamnese ist die Frage nach den Fantasien eine sehr aufschlußreiche aber auch zutiefst intime. Denn in unserer kontrollierten Welt sind es wohl „noch“ unsere Gedanken die wirklich frei sind.
Kinder vor der Pubertät stellen sich sexuelle Szenen üblicherweise als Zuseher von Erwachsenen vor. Sie sind also noch nicht „im Bild“ ihrer Fantasien. Ab der Pubertät beginnt dann das „sich hineinbeamen“ in eine erotische Situation. Hier gibt es dann interessante Blickwinkel.
Selbstreflexion: hier kannst du dich wieder selbst fragen wie deine erotische Lieblingsfantasie abläuft, bevor du weiterliest . . .
Die Fragen zielen darauf ab herauszufinden was in deinem Innersten abläuft um es bewusst zu machen um dann gegebenenfalls Veränderungsschritte einleiten zu können.
Bist du aktiv oder passiv in deinem Bild? Bist du alleine, zu zweit, zu mehrt? Worum geht es, um eine romantische Szene, um eine genital betonte Szene? Welche Bildeinstellung wählt dein innerer Regisseur? Weitwinkel oder Zoom? Was genau wird fokussiert?
Wir können unsere Fantasien nützen um einen Erregungsreflex auszulösen. Jeder sexuelle Handlung geht eben genau diese „Initialzündung“ voraus um dem Körper zu signalisieren – jetzt beginne ich Lust zu entwickeln . . .
Selbstreflexion: wo kannst du deine Lust wahrnehmen? das ist gar nicht so einfach zu beantworten . . . nimm dir wieder ein wenig Zeit in dich hineinzustürzen bevor du weiter liest . . .
Ist es ein Kribbeln? Ist es ein Gefühl der Wärme? wenn ja dann wo genau, am ganzen Körper, im Brustbereich, im Kopf, im Beckenboden. Welche Attraktivitätscodes nützt du für deinen Lustgewinn? . . . sind es Bilder von Körperbereichen, sind es Gerüche, ist es eine bestimmte Musik?
bin ich normal?
Fallbeispiel: Eine 58-jährige Frau kommt mir der Frage zu mir ob sie pervers sei oder vielleicht in ihrer Kindheit vergewaltigt worden sei. Der Anamneseweg bringt uns schnell ins Reich der Fantasien. Frau M. ist es sehr unangenehm, aber in Anbetracht der Tatsache, dass sie freiwillig zu mir in eine sexualtherapeutische Beratung gekommen ist, macht es möglich weiter zu arbeiten.
Ihre Fantasie spielt sich seit jeher ähnlich ab. Sie ist gefesselt, der ganze Körper massiv angespannt, trägt eine Augenbinde und wird vergewaltigt. Sie weiß nicht von wem, von wievielen – sie weiß nur, dass es erregend ist sich anzuspannen und eine Abwehrspannung im Körper aufzubauen. Ohne diese Fantasie kann sie keinen Orgasmus auslösen – sie lebt schon länger ohne Beziehung – und hat auf Grund der unangenehmen Fantasien ganz auf Sexualität oder Selbstbefriedigung verzichtet. Der Grund warum sie da ist, ist ein Mann der in ihr Leben getreten ist, mit dem sie sich vorstellen kann wieder Sexualität leben zu wollen, aber wenn, dann anders als mit diesem Muster.
Sexualtherapie
Die Frage in der Sexualtherapie nach Approach sexocorporelle fokussiert als erstes die Exploration des sogenannten „Erregungsmodus“. Die genaue Erklärung folgt im nächsten blog.
Durch einen sehr angespannten Modus, dem sogenannten „archaischen Modus“ spannt man den Körper maximal an um einen Orgasmusreflex auslösen zu können. Dieser Reflex ist angeboren, üblicherweise erweitert man dann im Laufe der Zeit durch seine Neugierde das Repertoire – nimmt die Hände dazu, oder bewegt sich, aber in manchen Fällen bleibt Mann oder Frau ausschließlich bei diesem Modus.
Dann arbeitet Geist und Körper zusammen und hilft uns die Fantasien so anzupassen, dass sie den Körper insofern unterstützen, als er in eine Haltung geht, die dann der massive Anspannung am ehesten entspricht.
Also im Fall unserer Klientin ein geniales Szenario, das hilft rasch zur Entladung zu kommen. Das hat also weder mit Perversion zu tun, noch mit einem notwendigerweise stattgefunden Übergriff an den man sich vielleicht nicht erinnern kann.
SM
Bei diesen Vorlieben spielt auch genau dieser angespannte Modus eine große Rolle. Die erstaunliche Beliebtheit von Bücher wie „Shades of Grey“ zeigen eindrücklich, dass viele Menschen die Anspannung nützen um einen Orgasmusreflex auszulösen, gleichzeitig aber auch ein sehr romantisches Ideal im Kopf haben. Das führt oft zu Verwirrung beim Ausleben der Sexualität. Zärtlichkeit wird üblicherweise genossen, aber beim Sex wird durch die notwendige große Anspannung mehr Druck und vielleicht auch ein Stück Schmerz benötigt um dem Körper den letzten „Kick“ zu signalisieren . . .
Lösung
Die sexualtherapeutische Intervention hat dazu geführt, dass sich die Klientin bewusst gemacht hat mit welcher Anspannung sie sexuelle Lust koppelt. Dann verlangsamt man den Prozess des Erregungsaufbaus bewusst wie in Zeitlupe um kleine Veränderungen einbringen zu können. Die Atmung zum Beispiel, die oft „vergessen“ wird. Oder die Entspannung des Kiefers. Ein Balanceakt den ganzen Körper mit einzubeziehen, ihn zu entspannen und gleichzeitig für einen Rhythmus zu sorgen, der denn Erregungsaufbau unterstützt. Das Ziel ist, den ganzen Körper in einen „wellenförmigen Modus“ zu bringen, mehr dazu im nächsten Blog. Bei Männern äußert sich der Anspannungsmodus oft in einem vorzeitigen oder stark verzögerten Orgasmusreflex.
neue Fantasie
Nach einem Jahr des Entfaltens hat sich bei Frau M. die Vergewaltigungsfantasie übrigens in eine sehr anmutige, dynamische Fantasie entwickelt.
Jetzt reitet sie mit einem schwarzen Hengst durch die sich brechenden Wellen des Meeres – die Bewegung des Beckens und die Bewegung im Brustbereich werden so von Körper und Geist zusammengebracht, dass jetzt ein wellenförmiger Orgasmusreflex gelebt werden kann, der für die Klientin ungeahnte Erfüllung und sexuelle Selbstsicherheit gebracht hat.
Foto: Karina Thomson
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